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Abschied von der Opferperspektive

Plädoyer für einen Paradigmenwechsel
in der schwulen und lesbischen Geschichtsschreibung

In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 67 (2019) 11, S. 934–955.

 

Ein eindringliches Plädoyer für einen Paradigmenwechsel in der schwulen und lesbischen Geschichtsschreibung: An der bisherigen Forschung zur Homosexuellenverfolgung kritisiert Zinn eine zu starke Fokussierung auf Opferbiografien – ein Phänomen, das er mit der Herkunft und engen Verbundenheit der einschlägigen Forscher mit der Homosexuellenbewegung erklärt. Diese „Opferperspektive“ verleite zu Fehlschlüssen: Unverkennbar sei die Tendenz, den historischen Kontext auszublenden, oftmals würden aber auch „unerwünschte“ biografische Aspekte, die nicht ins Opferbild passen, „übersehen“.

Diese Problematik zeige sich etwa bei der Stilisierung von „Rosa-Winkel-Häftlingen“ zu „gewöhnlichen“ Homosexuellen – dass es vielfach Vorwürfe von „Jugendverführung“ oder Kindesmissbrauch waren, die zur KZ-Einweisung führten, werde stillschweigend übergangen. Auch der Versuch, weibliche Homosexualität als „Verfolgungsgrund“ zu erweisen, gründe in fragwürdigen biografischen Studien, die die historischen Rahmenbedingungen ausblendeten. Dass Homosexuelle oft sehr eigenwillige Akteure waren, die ihre Biografien trotz widriger Umstände mehr oder weniger „erfolgreich“ gestalteten, gerate dabei leicht aus dem Blick.

 


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