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Schwule, Lesben, Trans-
und Intersexuelle in Frankfurt am Main 1933-1994
Reihe: Studien zur Geschichte und Wirkung des Holocaust; Bd. 12
420 Seiten, 6 farb. Abb., geb., Schutzumschlag, 14 x 22,2 cm
Göttingen 2025,
Wallstein, ISBN 978-3-8353-5719-8
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Zwischen Verfolgung, Liberalisierung
und Aufbruch:
Am Beispiel Frankfurt am Mains wird die Geschichte
sexueller
Minderheiten im 20. Jahrhundert erzählt
Nicht ohne Hintersinn
werden die Frankfurter Homo, Trans- und Intersexuellen in diesem Buch
als »Maintöchter« tituliert, waren sie doch stets Töchter und Söhne dieser
Stadt. Töchter und Söhne freilich, die recht stiefmütterlich behandelt
wurden. Soziale Ächtung und staatliche Repression prägten ihren Alltag,
viele reagierten aber auch mit beachtlichem Eigensinn und Widerstandswillen.
Somit erzählt Alexander Zinn am Beispiel Frankfurts die Geschichte sexueller
Minderheiten im 20. Jahrhundert: Er beleuchtet die massive Verfolgung
homosexueller Männer in der NS-Zeit, die allmähliche Liberalisierung des
gesellschaftlichen Klimas in der Nachkriegszeit und der Aufbruch der neuen
Lesben- und Schwulenbewegung nach der Strafrechtsreform von 1969. Dabei
wird deutlich, dass es trotz staatlicher Repression immer wieder gelang,
Freiräume zu erkämpfen. So gab es selbst in der NS-Zeit einschlägige Treffpunkte,
seit den 1950er Jahren wurde die Mainmetropole sogar als ein Eldorado
der Homo- und Transsexuellenszene wahrgenommen. Die städtischen Behörden
reagierten mit Kontrollen und Auflagen, duldeten die subkulturellen Nischen
ansonsten aber. Für die »Betroffenen« erwies sich die Situation als ambivalent:
Viele genossen die kleinen Freiheiten, nicht wenige zerbrachen aber auch
an gesellschaftlicher Ablehnung und Isolation.
Die Studie ist nicht
nur von regionalgeschichtlicher Bedeutung, liefert sie doch auch Hinweise,
die neue Perspektiven auf die allgemeine Situation von Homo-, Trans- und
Intersexuellen in der NS- und in der Nachkriegszeit eröffnen. Dies
betrifft zum Beispiel die Frage, unter welchen Voraussetzungen homosexuelle
Männer in die nationalsozialistischen Konzentrationslager eingewiesen
wurden. In Frankfurt am Main war dies in der Regel dann der Fall, wenn
die Betroffenen mehrfach wegen sogenannter Jugendverführung oder
wegen Prostitution nach § 175a verurteilt worden waren. In Fällen
einfacher Homosexualität nach § 175 kam es dagegen
nur dann zur Anordnung von Vorbeugungshaft, wenn noch weitere
Verfolgungsmerkmale vorlagen, so zum Beispiel, wenn die Verurteilten Juden
waren. Ähnliche Befunde hatten sich bereits in Regionalstudien zu
Köln und Leipzig gezeigt. Die Frankfurter Ergebnisse bestätigen
somit die Zweifel an der bislang vorherrschenden Perspektive, auch gewöhnliche
Homosexuelle seien in der NS-Zeit von Vorbeugungshaft in Konzentrationslagern
bedroht gewesen.
Auch in Hinblick auf
die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Männer in den 1950er
und 1960er Jahren kommt die Studie zu Ergebnissen, die die bisherigen
Perspektiven erweitern. So traten in der Frankfurter Justizpraxis in diesem
Zeitraum bereits deutliche Liberalisierungstendenzen zutage, die wohl
nicht ganz untypisch waren für die Verfolgungspraxis in der Bundesrepublik
und die die verbreitete Annahme, die Verfolgung Homosexueller sei nach
1945 bruchlos fortgesetzt worden, relativieren.
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zum Wallstein-Verlag
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