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„Miteinander verwachsen wie ein Liebespaar“

Homosexuelle auf dem Land in den 1930er Jahren.

In: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie.
Minderheiten in ländlichen Gesellschaften, 71 (2023) 1, S. 37–54.

 

Die Geschichtsschreibung zu Alltag und Verfolgung Homosexueller hat sich erst in den vergangenen 50 Jahren parallel zur Entstehung der modernen Lesben- und Schwulenbewegungen entwickelt. Und wie diese Bewegungen selbst war auch die einschlägige Historiographie lange auf Metropolen und Großstädte fokussiert. Die
Erkenntnisse zu homosexuellem Leben auf dem Land sind deswegen bis heute rudimentär. Das Bild ist von Klischees geprägt, die die vermeintlichen Vorzüge des Stadtlebens betonen. Der alte Spruch „Stadtluft macht frei“ scheint gerade für den Blick auf das Thema Homosexualität von großer Relevanz zu sein. Allgemein wird davon ausgegangen, dass Homosexuelle in die Großstädte drängten, um die dortige Infrastruktur von Lokalen und Vereinen, die im Zuge der ersten Homosexuellenbewegung seit Ende des 19. Jahrhunderts entstanden war, besser genießen zu können.

Erst jüngere Forschungen des Verfassers, die die Situation in Thüringen und Sachsen in den 1930er Jahren in den Blick nehmen, haben auch den Alltag und die Verfolgung Homosexueller im ruralen Raum stärker beleuchtet. So lässt sich anhand von Strafverfolgungsakten aus der NS-Zeit zeigen, dass sich in den 1920er Jahren auch in Dörfern und Kleinstädten Netzwerke und teilweise sogar Vereinigungen entwickelt hatten, die das homosexuelle Leben auch in den 1930er Jahren noch prägten. Überdies gibt es Hinweise auf spezifische Formen der Duldung homosexuellen Lebens in kleinstädtischen und dörflichen Gemeinschaften, die gängige Klischees von „dörflicher Enge“ und Intoleranz infrage stellen..


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