Potsdamer Neueste Nachrichten, 8.8.1996:

Standort-Mission

Von Alexander Zinn

Die Mission war nicht unmöglich, sondern schon vor dem deutschen Kinostart von seltenem Erfolg gekrönt. Der neue Hollywood-Streifen "Mission: Impossible" ist in aller Munde, und die Welt steht Kopf: Ausgerechnet die Junge Union ruft auf zum Boykott des Filmes, weil Hauptdarsteller Tom Cruise der umstrittenen Scientology-Sekte angehört. Und ausgerechnet die linksalternative Tageszeitung, die sonst fast jeden Boykottaufruf unterstützt, hält diesen für "lächerlich".

Pünktlich zum Kinostart am letzten Donnerstag entwickelte eine weitere Organisation ungeahnten Missionseifer. Das Filmboard Berlin-Brandenburg lud die Prominenz der "Metropolregion" zur morgendlichen Preview mit anschließendem Büfettverzehr. "Mission: Impossible" war das Codewort, um den Berliner Zoo-Palast zu betreten. Und diese geheimnisvolle Zutrittszeremonie gab einen guten Vorgeschmack auf das, was da kommen sollte.

Offiziell freilich ging es nicht um den banalen Genuß des amerikanischen Action-Thrillers. Denn das Filmboard wollte Politik und Verwaltung sensibilisieren für die Probleme, die mit der Filmproduktion verbunden sind. Schließlich ist es die Aufgabe des gerade mal zwei Jahre jungen Filmboards, den Filmstandort Berlin-Brandenburg zu fördern. Und da muß man auch seinen Auftraggebern mal ein paar unschöne Wahrheiten sagen dürfen. Der Standort Berlin-Brandenburg, so die Botschaft, habe leider nicht den besten Ruf in der Filmbranche. Und das liege nicht zuletzt an den bürokratisch-langwierigen Genehmigungsverfahren. Der Aufnahmeleiter des gerade in Berlin entstehenden Filmes "Obsession" etwa mußte für eine Straßenszene ein halbes Dutzend Genehmigungen einholen.

Filmboard-Intendant Keil allerdings würde seine Kritik nie so deutlich formulieren. Er ist ein Freund des Positive-Thinking, und so war in seiner kurzen Ansprache besonders davon die Rede, daß in Berlin immer mehr gedreht würde. Unnötig zu betonen, daß diese Zunahme in seinen Augen "mit der neuen Förderungsart", kurz mit seinem Filmboard zusammenhängt - ein bißchen Eigenlob ist schon gestattet. Kritik dagegen gab es bei Keil nur zwischen den Zeilen. In New York, so betonte er, habe die Polizei ein eigenes "Filmdepartement" eingerichtet, das sich um die Absicherung der Dreharbeiten kümmere. Mit anderen Worten: Dort müssen sich die Filmgesellschaften ihre Genehmigungen nicht selbst besorgen.

Doch bloß nicht zuviel der Theorie. "Mission: Impossible" sollte nun vor Augen führen, wie man das "Image" einer "Location" gut herüberbringt. Prag, der heimliche "Hauptdarsteller", sei in dem Streifen "wie noch nie verkauft" worden. Grund genug, vom südlichen Nachbarn zu lernen, meinte Keil und gab die Leinwand frei für die doppelte Mission.

Und tatsächlich, "Mission: Impossible" ist geeignet, so manchen zu bekehren. Doch es ist nicht die Vermarktung der Goldenen Stadt, die am Film besticht. Nein, es ist die liebevolle Reaktivierung des schon totgesagten Spionagefilms. "Mission: Impossible" ist die kineastische Neuauflage der gleichnamigen amerikanischen Sixties-Fernsehserie, die die deutschen Kabelkanäle unter dem Titel "Kobra, übernehmen Sie" abnudeln. Und wie im Film der Sechziger, wimmelt es auch bei "Mission: Impossible" von giftspritzenden Kugelschreibern, Brillen mit eingebauter Kamera und Kaugummis aus Sprengstoff. Das ganze ist äußerst unterhaltsam, und wüßte man es nicht besser, dann könnte man es gar als ironischen Kommentar eines ganzen Kino-Genres lesen.

Selbst die Filmmusik der alten Fernsehserie wurde wiederbelebt. Und dieser pulsierende Soundtrack des Argentiniers Lala Schifrin katapultiert den Zuschauer endgültig zurück in die Sixties. Die Zeit des ungebrochenen Fortschrittsglaubens - und der grenzenlosen Naivität. Das Steuerpult der Raumpatrouille Orion, einer anderen Kultserie der Sechziger, schmückte man damals mit einem Bügeleisen. Und mit der gleichen Unbescholtenheit surft Tom Cruise in "Mission Impossible" durchs Internet. Seine Recherche zum Bergriff "Job" bleibt erfolglos. Das ist nun wirklich impossible.

Doch zurück zur Standortvermarktung. Beim Filmboard schwärmt man davon, das majestätische Prag sei "selten so authentisch" gezeigt worden. Doch mit Authentizität hat "Mission: Impossible" nun wirklich nichts zu tun. In den wenigen Außenszenen wird Prag zur gespenstischen Kulisse einer "Maulwurfsjagd", wie man die blutige Enttarnung eines Verräters unter Filmspionen nennt. Für die Dreharbeiten wurden Graffiti von den Häuserwänden geschliffen und Bäume gefällt. Prag wurde neu erfunden, und das ist keineswegs ein Manko des Films. Vom Kino kann man keine Authentizität erwarten.

War die Standort-Mission des Filmboards also ein Schlag ins Wasser? Sicherlich nicht. Zum einen kam die Botschaft des Filmboards auch ohne den passenden Film an. Entbürokratisierung heißt das Zauberwort, und vielleicht wird das vom Filmboard eingerichtete "Koordinationsbüro Film" ja sogar zu einem deutschen Film-Departement. Zum anderen aber wurde ein unterhaltsamer Film gezeigt. Noch am Büfett amüsierten sich die geladenen Gäste über spritzende Kugelschreiber und Armbanduhren-Bildschirme. Mission unmöglich - aber geglückt.